1. Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg endete im November 1918 mit der Niederlage des Deutschen Reiches. Die wirtschaftliche Lage war katastrophal: Millionen Soldaten kehrten heim, Fabriken standen still, Lebensmittel waren knapp. Viele Menschen hungerten, und die Bevölkerung war kriegsmüde. Gleichzeitig wuchs die Unzufriedenheit mit der Monarchie. Kaiser Wilhelm II. dankte am 9. November 1918 ab und floh ins Exil. Damit endete die über 40-jährige Herrschaft des Kaiserreichs.
Am selben Tag rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstags die „Deutsche Republik“ aus. Wenige Stunden später proklamierte der Spartakistenführer Karl Liebknecht eine „freie sozialistische Republik“. Deutschland stand vor einem politischen Neuanfang.
2. Die Weimarer Republik entsteht
Die neue Regierung, der sogenannte Rat der Volksbeauftragten, übernahm die Macht. Um eine demokratische Ordnung zu schaffen, wurden Wahlen zur Nationalversammlung angesetzt. Diese fand am 19. Januar 1919 statt – erstmals durften auch Frauen wählen. Die Nationalversammlung trat in Weimar zusammen, weil Berlin wegen politischer Unruhen zu unsicher war. Dort wurde die Weimarer Reichsverfassung ausgearbeitet und am 11. August 1919 verabschiedet. Damit war die Weimarer Republik offiziell gegründet – die erste Demokratie in Deutschland.
3. Grundzüge der Weimarer Reichsverfassung
Die Weimarer Verfassung war für ihre Zeit sehr modern und demokratisch. Ihre wichtigsten Merkmale:
- Volkssouveränität: Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Bürgerinnen und Bürger wählen das Parlament und den Reichspräsidenten.
- Reichstag: Das Parlament wird alle vier Jahre gewählt. Es beschließt Gesetze und kontrolliert die Regierung.
- Reichspräsident: Wird direkt vom Volk gewählt, Amtszeit sieben Jahre. Er ist Staatsoberhaupt, ernennt die Regierung und kann den Reichstag auflösen. Außerdem hat er das Notverordnungsrecht (Artikel 48), was später problematisch wurde.
- Reichsregierung: Besteht aus dem Reichskanzler und den Ministern. Sie ist dem Reichstag verantwortlich.
- Grundrechte: Die Verfassung garantiert Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und Gleichberechtigung. Auch soziale Rechte wie Schutz der Arbeit und Fürsorge wurden festgeschrieben.
- Wahlrecht: Allgemeines, gleiches, geheimes und proportionales Wahlrecht für Männer und Frauen ab 20 Jahren.
4. Bedeutung und Probleme
Die Weimarer Verfassung war ein großer Fortschritt: Zum ersten Mal gab es in Deutschland eine parlamentarische Demokratie mit umfassenden Grundrechten. Allerdings enthielt sie auch Schwächen:
- Das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten konnte die Demokratie aushebeln.
- Viele Parteien im Reichstag erschwerten stabile Regierungen.
- Die Republik startete unter schwierigen Bedingungen: Kriegsschulden, Reparationsforderungen, politische Extremisten und die Ablehnung vieler Bürger.
Trotz dieser Probleme war die Weimarer Republik ein wichtiger Schritt in der deutschen Geschichte – sie legte den Grundstein für demokratische Traditionen.
